Archiv der Kategorie: Gedichte

Lesungen gehen! Und gehen gut!

Ihr wisst gar nicht, wie froh und überschäumend ich bin, neue Lesungen ankündigen zu dürfen!
BÄM!

Am 13.06.2022 lese ich in Telfsin Tirol, beim W:ORTE, das internationale Lyrikfestival.
Gemeinsam mit Aleš Šteger, Fransen Musik und moderiert vom großen: José F. A. Oliver

Am 14.06.2022 gehts für einen wahnwitzigen Abstecher nach Berlin: kookread läd ein! In Berlin wird gelesen – moderiert von Felix Schiller, lesen Uljana Wolf und ich Gedichte und GIRLWOMAN spielt Musik auf! Wir sollen über Lyrik und die Aktualität dieses Genres sprechen. Also wie reagiert Kunst auf ihre Zeit. Und Spoiler ich werde wenig über Corona sprechen.

Am 15.06.2022 lese ich in Imst, Tirol. wieder im Rahmen des W:ORTE Festivals!
Diesmal lese ich wieder zusammen mit Aleš Šteger, und FransenMusik, wir werden jedoch diesmal moderiert von José F. A. Oliver & Mikael Vogel.

Am 09.07. gehts dann wild weiter im Schwarzwald! Beim LeseLenz! Dort lese ich Vom poetischen W:Ort. Im Rahmen des 25. jährigen Jubiläums des Festivals lese ich mit einer Auswahl an Autor*innen zusammen. Wir besingen die Poesie und das wird schön!

Ich freue mich auf euch!

Grüße

Meisterklasse Lyrik! – von Herzen, von Menschen, vom Klang her gedacht

Zusammenarbeit gefällig?

Liebe Leutz,

ich bin ja sehr demütig mit Eigenwerbung geworden. Doch hierfür möchte ich Werbung machen, denn ich hoffe, dass es stattfindet. Ich gebe dieses Jahr die Meisterklasse Lyrik beim schwäbischen Kunstsommer.

– vom 31.07-07.08. kann man mit mir an Tonalität, an Rhythmus und an (allem) Aussprache arbeiten. Ich werde eine Schreibwerkstatt leiten, bei dem die Teilnehmer*innen sich ihrer und unserer Alltagssprache bewusstwerden und diese poetisch zu erarbeiten, zu verarbeiten oder auch zum Klingen bringen. Der poet(olog)ische Austausch wird dabei ebenso im Vordergrund stehen wie die Performativität der eigenen Sprache. Gedichte entstehen oftmals genauso allein wie gemeinsam. Und nichts Schöneres gibt es, als engagierte Mitlesende. Zudem werde ich poetologisch und philosophisch und einfach menschlich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und zudem!!! kann man die Atmosphäre des Klosters Irsee genießen und mit mir zusammen Geburtstag feiern. Also! Lasst dichten!

Die Bewerbung ist möglich bis 22.04.2022 und kann online hier erfolgen: LINK http://www.kunstleben.info/index.php?id=348

Die Teilnahme kostet und ist auf 13 beschränkt für meine Meisterklasse. Und es gibt sogar die Möglichkeit Stipendien zu beantragen, sollte jemand die Kosten nicht tragen können!

Ich fühle mich so geehrt, dass die Schwabenakademie Irsee an mich gedacht hat und mir diese Möglichkeit eröffnet. (ich hab da ja eigentlich Sommerferien, aber ich kann das Unterrichten eben einfach nicht lassen 😊

Ich freue mich tierisch auf diese Meisterklasse Lyrik!

Poetisiert Euch! – Herzlich,

Meine Lyrik 2021

Jillian Weise, Amputees Guide to Sex, SOFT SKULL PR, 2017
Jemand, der mit/durch seine/r Amputation tief über das Sexleben, den Körper und sich selbst nachdenkt, bringt mir meinen Körper näher. Gedichte über Nähe, über das Verschwinden und das offensichtlich Fehlende. Die Sprache versucht einer Unsagbarkeit näher zu kommen, im Wissen, das Gesagte wird das Unsagbare nicht sagbar machen – unsere Position dazu aber verschieben. Eine große Empfehlung, die ich machen möchte, und vor allem weitergeben möchte, dieses Buch wurde mir vor Jahren empfohlen, zum Glück ist mein Gedächtnis tief. Danke für die Empfehlung und diesen Gedichtband.

Friederike Mayröcker, Tod durch Musen, Luchterhand, 1973
Wenn dieses Kaliber Dichterin genannt wird, spricht man von Grande Dame. Wer die Musen tötet wird zur Grande Dame, damit bin ich einverstanden. Und wer durch die Musen stirbt? Ich wollte mich mal, nach ihrem Tod mal mit frühen Werken der Künstlerin beschäftigen. Und ich habe große Freude an dem Sprachspiel gefunden. Eine Sprache, die zwischen konkret und surreal beides sein kann. Tod durch Musen ist eigentlich ein ewiger Scheideweg, bei dem jedes gesprochene Wort neu auf eine neue Waagschale gelegt werden kann. Tod durch Musen aufs Neue.

Ludwig Fels, Blaue Allee, Versprengte Tartaren, Piper, 1988
Ein Gedichtband in politischer Radikalität und ganz persönlich in seiner brachialen Zärtlichkeit. Bereits zwei Jahre vor meiner Geburt wurde dieser Gedichtband veröffentlicht und ich erkenne einen Brutalismus im Sprechen, der ganz feine Unterschiede im Denken offenbart. Was Worte lenken, wie sich Menschen verhalten, wie Dichter*innen schreiben. Ludwig Fels verstarb 2021, erst dadurch hab ich ihn kennengelernt. Ich lese Ludwig Fels jetzt. Es geht weiter. Versprengungen bleiben.

Erec Schuhmacher, dass wir es tun im dunkeln, etcetera press, 2021
5 Euro. So viel kosten die Chapbooks von Erec Schuhmacher meistens. Gestaltung, Druck etc. in EigenProduktion. Die kleinen Bücher beschäftigen sich lyrisch wie graphisch mit Themen und poetischen Arbeitsweisen. In diesem geht es um Rausch, Liebe, Sex, das Dunkle, das Dunkle in uns und durch uns. Drogen kommen vielleicht auch vor. Zudem gibt es Chapbooks über Impfungen, mit BGB, aus BGB und übers BGB sowie den Berliner Mietenspiegel. Hier geht’s ab.

Semra Ertan, Mein Name ist Ausländer, edition assemblage, 2020
Wer sich in Hamburg in den 80ern anzündet aus Protest gegen Rassismus und Diskriminierung, der hat einen Platz in meinem Kopf sicher. Die Gedichte sind zweisprachig (türkisch/deutsch) im Band abgedruckt. Es sind keine heimatsehnsüchtigen Gedichte. Es sind Gedichte der Fremde in der Fremde. Gedichte, die mir nah kommen, weil jemand sich selbst verorten will, in einer Fremd-Umgebung und das Ungelingen dessen verarbeitet, ohne es je zu verarbeiten. Diese Gedichte zeigen Mensch-sein in einem System, das den Menschen nur als Zweck wahrnimmt. Ein Aufschrei, eine Rebellion und auch eine offene Hand: Mein Name ist Ausländer.

Lea Schneider, Made in China, Verlagshaus Berlin, 2020
China ist weit und exotisch. Wie darüber schreiben als weiße Person deutschen Ursprungs? Mit Wissen! Mit Hinweisen! Mit Brotkrummen! Lea Schneider studierte Komparatistik, Soziologie und Sinologie. Sie weiß. Sie weiß, wie schwer es ist, aus unserer Perspektive über eine ferne Kultur zu schreiben und so sind diese Texte ein Kaleidoskop ihrer Erfahrungen und Begegnungen in China. Direkte Begegnungen mit Chines*innen und mit literarischen, wissenschaftlichen Texten. Die Texte sind ein Netz aus subjektiver, zeitgenössischer Erfahrung, Reflexion, wissenschaftlichen Arbeiten, Essays und Gedichten. Die Verweise sind wichtig, denn hier guckt nicht einfach eine weiße Person nach China, hier versucht sich jemand in China zurechtzufinden und zeigt uns sehr genau, wie das subjektiv von statten gehen kann.

Athena Farrokhzad, Bleiweß, kookbooks, 2019 (übersetzt von Clara Sondermann)
Gedichte, die alle verhandeln, was in der Familie so gesagt wird. Die Mutter sagt, der Vater sagt, der Bruder sagt, die Großmutter sagt. Was sagt das ICH in der Familie? Es wird praktisch nicht herausgearbeitet, sondern forciert, dass man selbst Stellung bezieht. Die Familie von einer Fluchtbewegung getrieben ist in Schweden und das steht nicht im Vordergrund des Bandes, doch ich habe glaube ich anhand meiner Bio auch Momente der Bewegung entdeckt, die eigentlich längst abgeebbt sein sollten. Farrokhzad schreibt so klug: „Mein Bruder sagte: das Vergangene ist ein Übergriff, der niemals aufhört“

Ianina Ilitcheva, ich sehe die einsamkeit vor mir und sie ist leicht, (hrsg. V. Rick Reuther) hochroth München, 2018
Ich habe diesen Menschen einmal getroffen, lesen gehört und die Stimme und die Stimme der Texte nicht mehr vergessen. Das ist mutige Fragilität, die sich an die Front der Menschlichkeit traut. Hier wird sich bekannt, sich offenbart, sich ausgestellt und diese Texte fordern mich gerade dazu auf: mich auch aufzustellen: ich bin hier! Ich bin der und diese. Ich sehe die Einsamkeit vor mir und sie ist leicht, so ein leichtes Buch, so leicht zu lesen, so voller Grazilität im Straßenleben und so viel Grobschlächtigkeit im eigenen Schlafzimmer. Nackt sind die Texte und sie halten warm.

Marcel Beyer, Dämonenräumdienst, Suhrkamp, 2020
Peter-Huchel-Preis. Ist einfach so ein Buch zu loben, dass schon bepreist wurde. Aber ich finde es unheimlich schön. Unheimlich ist das richtige Wort. Die Gedichte sind wie Passanten, die an einem Vorübergehen und augenblicklich abgründig werden. Und dann sind sie schon wieder vorüber. Und dann fragt man sich: wars das? Und dann bleibt das Gedicht, das Gefühl, das Wortspiel erhalten. Denn die Sprache, die dafür verwendet wird, ist schön. Einfach simpel und in ihrer Kombination werden sie so schön wie abgründig.

Gerald Fiebig, motörhead klopstöck, Parasitenpresse, 2020
Politische Lyrik, die Hoch- und Popkultur immer in Anwesenheit denkt. Motörhead spielen ein Stück von Klopstöck. Und gutural könnte man sagen. Die Gedichte sind gesprochene Werke. Ich empfehle alle Gedichte sich selbst mal laut vorzulesen. Aber diese hier sind zusätzlich getrieben vom Klang. Spoken Word ohne Slamcharakter. Hier geht jemand unseren politischen Machenschaften auf den Grund. Und hört dabei gute Musik.

Dinçer Güçyeter, Mein Prinz, ich bin das Ghetto, Elif Verlag, 2021
Gedichte, die persönlich sind, ausgefallen, wütend, einfühlsam, einen gern an die Hand nehmen und vor die Frage stellen: warum sind die NSU Akten noch so lange unter Verschluss? Fragen der Herkunft wird nachgegangen in der Retrospektive der Elternliebe, Aufbruch und Aufprall, zwischen Dort und Gay-Sauna, zwischen Anatolien und deutscher Fabrik. Kultur trifft Menschlichkeit, ein Duell – wer bleibt? Bleibt überhaupt etwas über, wenn wir dieses Duell zulassen? Ein Buch, das nicht zu bestechen ist.

Swantje Lichtenstein, Am Ende Der Weißheit/ Verschalte Verbindungen, Verlagshaus Berlin, 2021
Ein Doppelalbum aus zwei Konzeptalben. Swantje Lichtenstein spricht. Sie nimmt das alltäglich gesprochene und versucht neue Verbindungen zu schaffen. Bedeutungen zu verschieben. Performative Writing ist der Untertitel. Aktion in der Sprache. Immer ein Experiment. Und das sind gewagte Versuche. Am Ende Der Weißheit ist der Versuch mit dem eigenen Weißsein klarzukommen, es überhaupt erstmal zu verstehen, auch in ganz gewöhnlichen Sprechsituationen. Das Poetische wird politisch verstanden. Ist das Politische poetisch?

Rosa Pock, Ein Halbjahr aus dem Leben einer Infantin, Drosch Verlag, 1995
Bücher in denen ein Narr vorkommt, schaffen es immer sofort in mein Herz. Die meisten bleiben dort auch. Ich glaube dieses wird dort lange schaukeln. Als ich vier Wochen in Prag war, fand ich dieses Buch ausgesondert im Österreichischen Kulturzentrum. Jetzt ist es meins! HA! Große Texte, die daherkommen, als wären sie kleine Notate zu 181 Tagen. Nö. Die Texte sind Offenbarungen und Gefährdungen. Und zwar mehr der Sprache als einer definitiven Person – habe ich den Eindruck. Was hier zu Wort kommt ist wichtiger, als wer zu Wort kommt. Aber dazu gibt es ja noch den Narren, eine Nebenfigur, die selbst nicht zu sprechen braucht. Wie sie angesprochen wird, sagt alles. Wer die Infantin ist? Vielleicht wir? Eines ist dieses Buch sehr wahrscheinlich. Das Eigensinnigste, das ich dieses Jahr gelesen habe. Ist das Prosa? Ist das Lyrik? Egal. Ist gut. Gut.

Eigentlich ist das schon Depression

Ich weiß, wir stecken alle in dieser misslichen Lage. Und irgendwie schreibe ich diesen Satz direkt am Anfang, weil ich mein Leid kleinreden möchte. Ich hab‘s ja gar nicht so schlecht, denke ich. Ich nehme mich zurück und nehme meine eigenen Gefühle nicht so wichtig. Und ich nehme mich gern zurück, aber ich kann darin auch verschwinden.

Ich steck(t)e emotional in einer Krise. Es ist schwierig zu sagen, wann man die Querelen mit den eigenen Emotionen überwunden hat. Ich zweifle stark an mir selbst und an meinem Schreiben. Und ein großer Grund dafür ist tatsächlich die Pandemie. Ich war sehr produktiv, doch fehlt mir der Austausch. Es geht beim Schreiben eben nicht nur ums Schreiben, Binsenweisheit geschenkt. Aber es fehlt das Treffen anderer Autor*innen. Es fehlt das neue Texte auf die Bühne bringen. Das Diskutieren über neue Texte, das Hören anderer Stimmen…Es ist eine Form von Anerkennung, die ich mir nicht selbst geben kann. Und doch halte ich den Lockdown für unheimlich wichtig, weil eine Pandemie eben nicht mit Lust zu besiegen ist. Aber für alles Lustige müssen wir es zusammen überstehen.

Gerade gibt es auch so viele gesellschaftliche und politische Belange, zu denen ich auch einfach nichts Kritisches oder Kluges beitragen kann. Und so bleibe ich bei mir und mache mir das zum nächsten Vorwurf.

Selbstzweifel und Reflexion sind seltsam Verwandte. Sind es Stiefgeschwister? Ich ziehe sonst sehr viel Inspiration aus dem Hinterfragen meiner eigenen Arten und Denkweisen. Aber ich muss gestehen, dass ich viel zu häufig dachte: Ich bin kein guter Autor. Ich weiß nicht, wie sich das in meinen mentalen Zustand eingeschlichen hat, aber es nagt an dem, was ich generell tue und liebe zu tun. Das zersetzt mich etwas. Und es fällt mir dann auch schwer Hilfe zu suchen, denn Schwäche zugeben ist sonst meine Stärke, aber, wenn‘s ans Fundament geht, wackelt eben alles. Und macht mir Angst.

Ich suche hier wirklich keine Komplimente (du versuchst dir doch nur so einige Schulterklopfer abzuholen, sagt es scharfzüngig in meinem Kopf). Doch ich halte es für wichtig diese Zustände anzusprechen. Der nächste Zweifel ist: braucht jemand meinen Senf wirklich? Aber wenn ich das der dominante Gedanke werden würde, würde ich nur noch schweigend durch die Welt laufen.

Es fällt mir schwer auszudrücken, was ich sagen will, weil ich fürchte, dass ich nur wie ein Meckerzausel klinge. Es ist schwer. An manchen Tagen denke ich, dass mein Tun sinnlos ist. An anderen mein Sein. Und es ist so verflucht egozentrisch. Ich denke nie, dass andere Menschen es sind. Ich habe über die Jahre viele Methoden gefunden, mich aus dem Sumpf voller Selbstzweifeln zu ziehen. Jedoch ist ein gewisses Maß an Isolation grade sehr anstrengend. Tatsächlich hilft mir das Schreiben. Aber immer allein mit dem Schreiben zu bleiben, wird giftig für mich.

Ich empfinde mein Schaffen in den giftigen Momenten als absolut sinnlos und doch ist das Arbeiten und Schreiben gerade das, was mir Freude bereitet, was mich glücklich macht und im besten Falle auch mit anderen verbindet.

Wir sind nicht allein. Ich hoffe, dass ich nicht der einzige bin, der diese Losung braucht. Und eigentlich habe viele meiner Texte aus dieser Haltung herausgeschrieben: Ich will im Dunkel für Menschen eine Hand sein, die ihnen gereicht wird. Vielleicht, weil ich selbst häufig solche Hände in Anspruch nehme.

Es fällt mir schwer, dass alles öffentlich zuzugeben, nur ist es glaube ich ebenso wichtig, diese Seite des menschlichen Lebens sichtbar zu machen. Dass es Menschen gibt, denen es mental nicht gut geht und die meisten von uns machen weiter und weiter. Und manchen hilfts und manche gehen zu Grunde daran. Es gibt immer einen Weg, auch, wenn man ihn nicht sieht. Es gibt Hilfe, auch wenn man sich verloren fühlt. Tatsächlich hat es mir viel geholfen mit Menschen zu sprechen, die das Leben komplett anders sehen als ich. Denn man selbst zu sein, ist eben auch nur man selbst zu sein. Relativierung ist keine Heilungsmethode, aber diverse Perspektiven nachvollziehen zu können, ändert den Blick auf einen selbst.

Ich habe eine Sehnsucht nach menschlicher Nähe und Beschäftigung. Und das obwohl ich gerade so viel Kraft und Zeit brauche, um mich zu erhalten. Oder gerade deswegen.

Ich bin wieder glücklicher mit meinem Schreiben. Und hoffe, dass es gut ist.

Ich hoffe, dir, Mensch, geht es gut.

Zum Abschluss ein neues Gedicht.

mich will jedes # plus eins & macht die bedeutung breit

#smartphonechallenge –

ich schaffe es, ein ganzes zu verschlingen

wenn ich mir auf die zunge beiße

bewerte ich immer noch reste auf ihre essbarkeit

es ist einfach jemand als lungernd zu verurteilen

wenn er hungernd versucht

niemandem etwas wegzunehmen

was ist das für ein machtkampf

bei dem twitter wikipedia verschlingt

aber ich bin mitten drin, wenn ein dealer mich bittet

etwas bei ihm zu kaufen, weil er jetzt familie hat

ich liebe alle menschen, die mich lieben

auch wenn sie mich nicht sehen

dabei verfolgt mich schon länger das gefühl

ein clickbait zu sein

an irgendeinem tag, wird die bedeutung

sich selbst verlieren & ich werde sie liegen lassen

auch, wenn sie mich anjault, sie anzufasen

ich wasche mich nur noch mit abwasser

weil es mir nichts wegnimmt

Was so geht, wohin und die besten Grüße

Bewegung. Ich schreibe & schreibe und arbeite am dritten Gedichtband. Mein Arbeitstitel lautet „livestream & schizofrenia“ – diesmal ist es ein einziger Spaziergang von morgens bis in die Nacht. dem lyrischen Ich begegnen Charaktere und Orte, Digitalität und Analogität verschwimmen, Gedanken & Wahrnehmung fließen zusammen und selbst die Stille wird eine Stimme.

Das erste Kapitel dieses Gedichtbandes hat Robert Gaude visualisiert. Ich bin sehr dankbar für seine Arbeit und hier auf youtube ist das ganze anzuschauen: wir müssen überwunden werden – visualisiert von Robert Gaude! Dankeschön. 🖤

Weiterhin wurde ich dieses Jahr vom Haus für Poesie und von der Akademie für Lyrikkritik ausgewählt und eingeladen, um an Workshops zur europäischen Lyrik teilzunehmen und Videokritiken, sogenannte Lecture Performances zu halten. Heuteabend, 16.04.2021, findet die erste Lecture Performance statt, an der ich teilnehme und es geht auch gleich um polnische Lyrik! 🖤

Ich habe mich mit den Gedichten und poetologischen Schriften von Kacper Bartczak auseinandergesetzt und erkläre, was Kläranlagen, das Dunkle, Dialektik und Containerschiffe mit Gedichten zu tun haben. Und Memes gibts auch. Schaltet den Kanal für Poesie ein. 😀 Ab 19:30 geht es am 16.04.2021 los und ich bin mir sicher, man muss nicht pünktlich sein und kann auf dem youtubekanal nachschauen 😉

Ich hoffe, ihr haltet diese Zeit gut durch. Ich erlebe mentale Hänger und bin eher mal bedrückt, mal manisch am ackern. Was aber wichtig ist: wir sollten in Kontakt bleiben. Ich schreibe, versprochen, weiter und arbeite auf den nächsten Gedichtband hin. Es wird eh immer alles früher, als man denkt. Bis bald, bitte bleibt gesund. Ich wünsche euch allen baldige Impftermine.

🖤

fixpoetry. Ein Abschied, eine Huldigung. Keine Entschuldigung.

fixpoetry – oder: wie das Internet in die deutsche Lyrikszene Einzug hielt

Ich bin Martin Piekar, heute im Jahr 2020, 30 Jahre alt, schreibe über mein halbes Leben lang bereits Gedichte und kenne fixpoetry.com nahezu seit Beginn. Fixpoetry ist ein Feuilleton, das von Literat*innen für Literat*innen war. Künstler*innen und Rezensent*innen beschäftigen sich mit literarischen Werken. Über Rezensionen, Essays, Gedichten oder auch Illustrationen, bot die Seite täglich kulturellen Content. Ja, ich kann gar nicht ausdrücken, was das bedeutet, denn dieser Content war ein Inhalt, der genau davon lebte, dass er inhaltsstark und unabhängig war. Es gab viel Freude und auch Streit. Nach 13 Jahren nun soll die Plattform für Lyrik, Literaturkritik und -vermittlung offline gehen. Das Portal soll sich schließen, da die Begründerin keine Förderung für ihre Website bekommt.

Fixpoetry ist ein Portal und wird es bleiben. Aber was war es für ein Portal? Für mich persönlich war eine Orientierungshilfe. Es war mehr als nur ein Straßenschild, es war ein Ort, an dem Begegnung gefördert wird, es war ein Portal, weil es selbst eine Tür war, die immer offen war. Wie diese Saloontür aus den Westernfilmen. Man kann immer sehen, was dahinter vorgeht, man kann eintreten und still teilnehmen oder sich einer Runde anschließen, austauschen und diskutieren.

Das Internetfeuilleton wurde generell als kostenlos wahrgenommen, weil es keine paywall hat, doch ist die Organisation im Hintergrund keinesfalls ohne Aufwand. Es gibt den Spruch: if something is free, you are the product. Ich stimme diesem Spruch zu und doch bildet fixpoetry eine der berühmten Ausnahmen der Regel. Ich weiß gar nicht, welcher Aufwand hinter dem Portal steckte und doch weiß ich, was es bedeutet eine Literaturveranstaltung zu planen. Was heißt es dann für eine Plattform, die täglich kulturellen Inhalt veröffentlicht? Dieses Literaturportal war kostenlos und gesellschaftlich relevant, es beschäftigte sich mit der Wirkung von Literatur für die Leser*innen, die Gesellschaft, die Zeit, in der wir leben.

Ich war ein junger Dichter als ich fixpoetry kennen, schätzen und lieben lernte. Ich las Rezensionen, um herauszufinden, ob das Werk mir zusagen würde; oder: ob ein Buch, dass ich gern gelesen hatte, auch so gut ankam und vice versa. Ich lernte neue Stimmen kennen, ich nahm Kontakt zu Autor*innen auf und entdeckte die Weite des Literaturbetriebes. Sagen viele doch, gerade die Lyrikszene sei eine Sparte, die sehr familiär wäre, weil sich alle untereinander kennen würden. Doch gerade zu kleinen Szenen muss man Zugang finden. Zu schreiben heißt nicht, dass man die Dichter*innen seiner Zeit kennt. Zu schreiben heißt nicht, das man andere Schreibende kennt. Ich war naiver als jetzt und schrieb vor mich hin. Aber auf fixpoetry las ich Kolleg*innen, war einer von ihnen und war unter ihnen. Als junger Autor fand ich die Möglichkeit mich zurecht zu finden in der eigenen Zeit – und das ist, muss ich als Historiker sagen, immer die schwierigste Aufgabe für junge Menschen, denn in der Gegenwart ist nichts klar und abgeschlossen, jede Zukunft ist offen.

Ein Zeitungsfeuilleton kann das nicht bieten und ist auch ein anderer Ort der Vermittlung. Die Orientierungshilfe von fixpoetry hat mich maßgeblich geprägt und für die Zukunft fit gemacht. Und inhaltlich kann ich keinen Zweifel hegen, denn die Inhalte auf fixpoetry haben sich immer darum bemüht, dem Werk, den Leser*innen und ihren gesellschaftlichen Kontexten gerecht zu werden. Für solch ein Projekt lohnt es sich zu spenden, doch wir haben allesamt zu wenig gemacht. Vielleicht darauf vertraut, das immer alles so bleiben wird und fixpoetry immer für uns da sein wird. Und hier möchte wenigstens anerkennen, was offizielle Förderstellen nicht anerkannt haben: fixpoetry ist wichtig, Kulturvermittlung kann nicht kostenlos geschehen und die Menschen, die sich da müdetippen für uns, haben Anerkennung verdient – eine Anerkennung, wenigstens nicht Miese zu machen und mehr als bloßes Abnicken. Wir sind nicht schuld, aber wir können handeln. Konnten.

Wenn fixpoetry am Ende des Jahres 2020 schließt, geht ein Stück deutscher Kullturjournalismus verloren. Es schließt sich eine Tür für junge Autor*innen, die so niedrigschwellig war, dass sie immer offenstehen konnte. Es wird eine Lücke literarischer Rezensionen geben, die von Blogs und dem Feuilleton nicht aufgewogen werden kann. Fixpoetry war kein Hobby, sondern eine Leidenschaft, ein Dienst ohne Verdienst, ein langer Pfad der deutschen Literatur (und nicht nur dieser) nach 2000. Wo es hingeht, wissen wir nicht. Die Zukunft muss offenbleiben, kataklystische Visionen haben noch niemanden auch nur einen Schritt vorangebracht. Traurig ist es für mich zu sagen: nichts ist fix(poetry). Wer weiß. Auch wenn fixpoetry nicht fortgeführt wird, hat es so viele Stimmen und Bewusstsein geprägt, dass es nicht vergessen wird. Doch Erinnerung und Anerkennung dürfen wir nicht in eins legen. Wir müssen bereit sein unsere Zukunft zu fördern und zu schützen, wir auch.

Genießen Sie die Seite, solange sie noch online ist.