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Meisterklasse Lyrik! – von Herzen, von Menschen, vom Klang her gedacht

Zusammenarbeit gefällig?

Liebe Leutz,

ich bin ja sehr demütig mit Eigenwerbung geworden. Doch hierfür möchte ich Werbung machen, denn ich hoffe, dass es stattfindet. Ich gebe dieses Jahr die Meisterklasse Lyrik beim schwäbischen Kunstsommer.

– vom 31.07-07.08. kann man mit mir an Tonalität, an Rhythmus und an (allem) Aussprache arbeiten. Ich werde eine Schreibwerkstatt leiten, bei dem die Teilnehmer*innen sich ihrer und unserer Alltagssprache bewusstwerden und diese poetisch zu erarbeiten, zu verarbeiten oder auch zum Klingen bringen. Der poet(olog)ische Austausch wird dabei ebenso im Vordergrund stehen wie die Performativität der eigenen Sprache. Gedichte entstehen oftmals genauso allein wie gemeinsam. Und nichts Schöneres gibt es, als engagierte Mitlesende. Zudem werde ich poetologisch und philosophisch und einfach menschlich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und zudem!!! kann man die Atmosphäre des Klosters Irsee genießen und mit mir zusammen Geburtstag feiern. Also! Lasst dichten!

Die Bewerbung ist möglich bis 22.04.2022 und kann online hier erfolgen: LINK http://www.kunstleben.info/index.php?id=348

Die Teilnahme kostet und ist auf 13 beschränkt für meine Meisterklasse. Und es gibt sogar die Möglichkeit Stipendien zu beantragen, sollte jemand die Kosten nicht tragen können!

Ich fühle mich so geehrt, dass die Schwabenakademie Irsee an mich gedacht hat und mir diese Möglichkeit eröffnet. (ich hab da ja eigentlich Sommerferien, aber ich kann das Unterrichten eben einfach nicht lassen 😊

Ich freue mich tierisch auf diese Meisterklasse Lyrik!

Poetisiert Euch! – Herzlich,

Inzidenzen des Verschwindens

Prag ist eine magische Stadt und ich werde noch mehr über diese Metropole schreiben, doch zuerst will ich mit einem Thema beginnen, das ich eigentlich vermeiden wollte: Corona. Uuuuäääärgggh, ich weiß. Und doch, es ist mir ein Bedürfnis es zu besprechen.

Als ich nach Praha aufbreche, gibt es eine Inzidenz von 18,5 – in Deutschland ca. 17,5. Ich hätte den November 2020 in Prag verbringen sollen. Wir wissen alle, was geschehen war. Die Inzident von 700 schwimmt in meinem Bewusstsein herum; drei Mal wurde mein Prag-Aufenthalt verschoben. Nun bin ich selbst doppelt geimpft und nehme immer weniger Gefahr wahr – vor allem weniger Gefahr, jemanden anzustecken. Trotzdem möchte ich mich leicht für Unvorsicht rügen.

Beim Durchstreifen der Stadt fiel mir auf, wie viele gewerbliche Räume derzeit Leerstand aufweisen und wie viele Geschäfte ganz simpel und einfach geschlossen haben. Immer noch. Oder, wie mir auch berichtet wurde: geschlossen wurden. Diese Pandemie ist anstrengend und nervt, natürlich! Doch ich sehe gerade in Prag, wie sehr sie die Infrastruktur und das Angebot der Städte verändert. Ich bin nach Prag aufgebrochen, kurz nachdem in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main Lockerungen Anwendung fanden. Ich habe Angst heimzufahren und dann erst zu realisieren, wie viele Geschäfte, Lokale, Restaurants, Kneipen, Clubs, Bars es nicht mehr gibt. Puh. Und das gar nicht, weil ich Angst vor Veränderung habe, sondern Angst vor dem Verschwinden.

Dann laufe ich über den Platz der Alt-Stadt Prags. Die Astronomische Uhr wird vom Tod geläutet. Auf dem Boden unweit davon prangen weiße Kreuze samt Namen und Daten. Alle sind sie an Corona gestorben. (Die MIT-Debatte führe ich nur noch mit Ohrfeigen, melden Sie sich bitte an.)

Ich sehe die Namen und denke die Inzidenz von 18,5. Das sind die Gesundeten und die Toten. Wir werden die Gesundeten schon bald behandeln als wäre nichts gewesen; wir Menschen können das gut. Die Toten beginnen wir loszulassen. Ich fürchte das. Wenn wir uns nicht mehr der Toten erinnern – wer dann?

Ich sehe die weißen Kreuze und weine ein wenig, ich bin ehrlich. Ich weine ein wenig für die Namen, die noch gegen die Zeit durchschimmern. Und dann läutet der Tod die Uhr. Es ist 17 Uhr. Das Stundenglas rinnt uns durch die Hände.

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle aufhören. Am Vltava-Ufer (Moldau-Ufer), diskutierte ich jedoch nachts drauf mit fünf Menschen über die Corona Impfung. Eine tschechische Künstlerin merkte an, dass man bei dieser Debatte immer angeschrien wird, es wäre so emotional, das ließe sich mit nichts vergleichen, die Leute würden immer gleich so schreien. Und auch ich schrie. Wieso müssten wir so emotional diskutieren, wenn es eine individuelle Entscheidung wäre, fragte sie. Wir werden zu Antagonisten.

Einige argumentierten, dass sie sich nicht impfen lassen wollen, weil sie sich regelmäßig testen lassen. Und zu dem wollen sie keinen derartigen Eingriff in ihren Körper. Dies wäre immerhin eine individuelle Entscheidung und das solle respektiert werden. Ein Eingriff in den Körper – Ich zeigte auf die Person, auf ihr Bier und sagte: jedes getrunkene Bier ist ein Eingriff in den jeweiligen Körper.

Pro Choice – Pro Life.

Ich hüte mich vor dem Vergleich, will ihn gar nicht ziehen, aber er drängt sich mir auf. Wir diskutieren und schreien uns irgendwann an. Jemand geht kurz von dem Grüppchen weg, weil die Person sich der Intensität der Auseinandersetzung nicht aussetzen möchte. Weil die Emotionen überwältigend sind. Weil die Stimmen sich erheben. (Ich habe den Pro-Life Vs. Pro-Choice Gedanken nicht geäußert und keine fünf Minuten später diskutierten die anderen aus dem Grüppchen, wann Leben beginnt. Ich schätze, mit dem Bewusstsein der Sterblichkeit fragen wir uns nach dem Beginn.)

Ich bin geimpft. Ich habe mich impfen lassen, um meine pflegebedürftige Mutter nicht anzustecken und niemand aus meinem Freundeskreis zu gefährden. Aber die Impfung wäre doch ein Eingriff und man könnte ja trotzdem weiterhin jemanden anstecken, werden mir als Gegenargumente entgegengebracht. Jemand merkt klug an: In unserer Zeit sind alle Wissenschaftler*innen. Was für eine Zeit, als dieser Berufsstand noch Respekt erfuhr, schwärmt diese Person. Heute nehmen alle ihr Telephon zur Hand und wissen sofort, was zu glauben ist.

Am Ende bleiben wir bei der Debatte: Individuum Vs. Gesellschaft. Es bleibt keine Antwort. (Ge)Denken wir gemeinsam. Weiße Kreuze. Daten. Inzidenzen verschwinden, und sie bereiten mir auch dabei Angst. Nur wir können all der Toten gedenken.

Praha. Reboot. Zeit

Praha. Praga. Prag. Prague. Seit einer Woche bin ich in Prag. Ich durfte (doppeltvakziniert) mein Stipendium des hessischen Literaturrats e.V. und des Prager Literaturhauses antreten. Ich bin überglücklich hier zu sein. Ich sammle Eindrücke, schreibe auch fleißig und lese ordentlich. Ich werde insgesamt vier Wochen in Prag weilen (Mitte Juni bis Mitte Juli) und es kommt mir vor wie ein emotionaler und persönlicher Neustart. Nicht Lebens-technisch, mehr so ein reboot. Ein wieder anfange durch die Straßen zu laufen, draußen Notizen zu machen, sich in der Welt bewegen. Sein. Ich war die erste Woche direkt von der Stadt eingenommen und bin nun etwas runterkühlt nach dieser miesen Hitze und genieße die Winde, die von der Vltava kommen. Ich hoffe, euch geht es gut.Ich habe zur Einreise direkt „Die Stille in Prag“ von Jaroslav Rudiš gelesen und mag das Buch sehr, gerade für einen Prag Besuch ist es perfekt, kurz und knapp werden durch fünf Protagonist*innen die Perspektiven der Stadt durchgeguckt. Als Tourist erfuhr ich von einigen Einheimischen bereits, das manche der Klischees einfach als Umgangs-Wahrheiten gelten. Ich mag das Buch, weil die unterschiedlichen Charaktere so schnelllebig sind und doch Momente der Stille in sich und in der Stadt finden. Und weil fetzige Musik eine wichtige Rolle spielt. Ich kann in Prag nicht mehr Tram fahren, ohne mich doch nach Malmö umzusehen. Wer weiß. Und nochmal fahre ich sicher mit der 22 von Anfang bis Ende. Was für eine Stadt. Glück und Geschichte erlebe ich in dieser Stadt.
Passt auf euch auf!

Eigentlich ist das schon Depression

Ich weiß, wir stecken alle in dieser misslichen Lage. Und irgendwie schreibe ich diesen Satz direkt am Anfang, weil ich mein Leid kleinreden möchte. Ich hab‘s ja gar nicht so schlecht, denke ich. Ich nehme mich zurück und nehme meine eigenen Gefühle nicht so wichtig. Und ich nehme mich gern zurück, aber ich kann darin auch verschwinden.

Ich steck(t)e emotional in einer Krise. Es ist schwierig zu sagen, wann man die Querelen mit den eigenen Emotionen überwunden hat. Ich zweifle stark an mir selbst und an meinem Schreiben. Und ein großer Grund dafür ist tatsächlich die Pandemie. Ich war sehr produktiv, doch fehlt mir der Austausch. Es geht beim Schreiben eben nicht nur ums Schreiben, Binsenweisheit geschenkt. Aber es fehlt das Treffen anderer Autor*innen. Es fehlt das neue Texte auf die Bühne bringen. Das Diskutieren über neue Texte, das Hören anderer Stimmen…Es ist eine Form von Anerkennung, die ich mir nicht selbst geben kann. Und doch halte ich den Lockdown für unheimlich wichtig, weil eine Pandemie eben nicht mit Lust zu besiegen ist. Aber für alles Lustige müssen wir es zusammen überstehen.

Gerade gibt es auch so viele gesellschaftliche und politische Belange, zu denen ich auch einfach nichts Kritisches oder Kluges beitragen kann. Und so bleibe ich bei mir und mache mir das zum nächsten Vorwurf.

Selbstzweifel und Reflexion sind seltsam Verwandte. Sind es Stiefgeschwister? Ich ziehe sonst sehr viel Inspiration aus dem Hinterfragen meiner eigenen Arten und Denkweisen. Aber ich muss gestehen, dass ich viel zu häufig dachte: Ich bin kein guter Autor. Ich weiß nicht, wie sich das in meinen mentalen Zustand eingeschlichen hat, aber es nagt an dem, was ich generell tue und liebe zu tun. Das zersetzt mich etwas. Und es fällt mir dann auch schwer Hilfe zu suchen, denn Schwäche zugeben ist sonst meine Stärke, aber, wenn‘s ans Fundament geht, wackelt eben alles. Und macht mir Angst.

Ich suche hier wirklich keine Komplimente (du versuchst dir doch nur so einige Schulterklopfer abzuholen, sagt es scharfzüngig in meinem Kopf). Doch ich halte es für wichtig diese Zustände anzusprechen. Der nächste Zweifel ist: braucht jemand meinen Senf wirklich? Aber wenn ich das der dominante Gedanke werden würde, würde ich nur noch schweigend durch die Welt laufen.

Es fällt mir schwer auszudrücken, was ich sagen will, weil ich fürchte, dass ich nur wie ein Meckerzausel klinge. Es ist schwer. An manchen Tagen denke ich, dass mein Tun sinnlos ist. An anderen mein Sein. Und es ist so verflucht egozentrisch. Ich denke nie, dass andere Menschen es sind. Ich habe über die Jahre viele Methoden gefunden, mich aus dem Sumpf voller Selbstzweifeln zu ziehen. Jedoch ist ein gewisses Maß an Isolation grade sehr anstrengend. Tatsächlich hilft mir das Schreiben. Aber immer allein mit dem Schreiben zu bleiben, wird giftig für mich.

Ich empfinde mein Schaffen in den giftigen Momenten als absolut sinnlos und doch ist das Arbeiten und Schreiben gerade das, was mir Freude bereitet, was mich glücklich macht und im besten Falle auch mit anderen verbindet.

Wir sind nicht allein. Ich hoffe, dass ich nicht der einzige bin, der diese Losung braucht. Und eigentlich habe viele meiner Texte aus dieser Haltung herausgeschrieben: Ich will im Dunkel für Menschen eine Hand sein, die ihnen gereicht wird. Vielleicht, weil ich selbst häufig solche Hände in Anspruch nehme.

Es fällt mir schwer, dass alles öffentlich zuzugeben, nur ist es glaube ich ebenso wichtig, diese Seite des menschlichen Lebens sichtbar zu machen. Dass es Menschen gibt, denen es mental nicht gut geht und die meisten von uns machen weiter und weiter. Und manchen hilfts und manche gehen zu Grunde daran. Es gibt immer einen Weg, auch, wenn man ihn nicht sieht. Es gibt Hilfe, auch wenn man sich verloren fühlt. Tatsächlich hat es mir viel geholfen mit Menschen zu sprechen, die das Leben komplett anders sehen als ich. Denn man selbst zu sein, ist eben auch nur man selbst zu sein. Relativierung ist keine Heilungsmethode, aber diverse Perspektiven nachvollziehen zu können, ändert den Blick auf einen selbst.

Ich habe eine Sehnsucht nach menschlicher Nähe und Beschäftigung. Und das obwohl ich gerade so viel Kraft und Zeit brauche, um mich zu erhalten. Oder gerade deswegen.

Ich bin wieder glücklicher mit meinem Schreiben. Und hoffe, dass es gut ist.

Ich hoffe, dir, Mensch, geht es gut.

Zum Abschluss ein neues Gedicht.

mich will jedes # plus eins & macht die bedeutung breit

#smartphonechallenge –

ich schaffe es, ein ganzes zu verschlingen

wenn ich mir auf die zunge beiße

bewerte ich immer noch reste auf ihre essbarkeit

es ist einfach jemand als lungernd zu verurteilen

wenn er hungernd versucht

niemandem etwas wegzunehmen

was ist das für ein machtkampf

bei dem twitter wikipedia verschlingt

aber ich bin mitten drin, wenn ein dealer mich bittet

etwas bei ihm zu kaufen, weil er jetzt familie hat

ich liebe alle menschen, die mich lieben

auch wenn sie mich nicht sehen

dabei verfolgt mich schon länger das gefühl

ein clickbait zu sein

an irgendeinem tag, wird die bedeutung

sich selbst verlieren & ich werde sie liegen lassen

auch, wenn sie mich anjault, sie anzufasen

ich wasche mich nur noch mit abwasser

weil es mir nichts wegnimmt

Was so geht, wohin und die besten Grüße

Bewegung. Ich schreibe & schreibe und arbeite am dritten Gedichtband. Mein Arbeitstitel lautet „livestream & schizofrenia“ – diesmal ist es ein einziger Spaziergang von morgens bis in die Nacht. dem lyrischen Ich begegnen Charaktere und Orte, Digitalität und Analogität verschwimmen, Gedanken & Wahrnehmung fließen zusammen und selbst die Stille wird eine Stimme.

Das erste Kapitel dieses Gedichtbandes hat Robert Gaude visualisiert. Ich bin sehr dankbar für seine Arbeit und hier auf youtube ist das ganze anzuschauen: wir müssen überwunden werden – visualisiert von Robert Gaude! Dankeschön. 🖤

Weiterhin wurde ich dieses Jahr vom Haus für Poesie und von der Akademie für Lyrikkritik ausgewählt und eingeladen, um an Workshops zur europäischen Lyrik teilzunehmen und Videokritiken, sogenannte Lecture Performances zu halten. Heuteabend, 16.04.2021, findet die erste Lecture Performance statt, an der ich teilnehme und es geht auch gleich um polnische Lyrik! 🖤

Ich habe mich mit den Gedichten und poetologischen Schriften von Kacper Bartczak auseinandergesetzt und erkläre, was Kläranlagen, das Dunkle, Dialektik und Containerschiffe mit Gedichten zu tun haben. Und Memes gibts auch. Schaltet den Kanal für Poesie ein. 😀 Ab 19:30 geht es am 16.04.2021 los und ich bin mir sicher, man muss nicht pünktlich sein und kann auf dem youtubekanal nachschauen 😉

Ich hoffe, ihr haltet diese Zeit gut durch. Ich erlebe mentale Hänger und bin eher mal bedrückt, mal manisch am ackern. Was aber wichtig ist: wir sollten in Kontakt bleiben. Ich schreibe, versprochen, weiter und arbeite auf den nächsten Gedichtband hin. Es wird eh immer alles früher, als man denkt. Bis bald, bitte bleibt gesund. Ich wünsche euch allen baldige Impftermine.

🖤

fixpoetry. Ein Abschied, eine Huldigung. Keine Entschuldigung.

fixpoetry – oder: wie das Internet in die deutsche Lyrikszene Einzug hielt

Ich bin Martin Piekar, heute im Jahr 2020, 30 Jahre alt, schreibe über mein halbes Leben lang bereits Gedichte und kenne fixpoetry.com nahezu seit Beginn. Fixpoetry ist ein Feuilleton, das von Literat*innen für Literat*innen war. Künstler*innen und Rezensent*innen beschäftigen sich mit literarischen Werken. Über Rezensionen, Essays, Gedichten oder auch Illustrationen, bot die Seite täglich kulturellen Content. Ja, ich kann gar nicht ausdrücken, was das bedeutet, denn dieser Content war ein Inhalt, der genau davon lebte, dass er inhaltsstark und unabhängig war. Es gab viel Freude und auch Streit. Nach 13 Jahren nun soll die Plattform für Lyrik, Literaturkritik und -vermittlung offline gehen. Das Portal soll sich schließen, da die Begründerin keine Förderung für ihre Website bekommt.

Fixpoetry ist ein Portal und wird es bleiben. Aber was war es für ein Portal? Für mich persönlich war eine Orientierungshilfe. Es war mehr als nur ein Straßenschild, es war ein Ort, an dem Begegnung gefördert wird, es war ein Portal, weil es selbst eine Tür war, die immer offen war. Wie diese Saloontür aus den Westernfilmen. Man kann immer sehen, was dahinter vorgeht, man kann eintreten und still teilnehmen oder sich einer Runde anschließen, austauschen und diskutieren.

Das Internetfeuilleton wurde generell als kostenlos wahrgenommen, weil es keine paywall hat, doch ist die Organisation im Hintergrund keinesfalls ohne Aufwand. Es gibt den Spruch: if something is free, you are the product. Ich stimme diesem Spruch zu und doch bildet fixpoetry eine der berühmten Ausnahmen der Regel. Ich weiß gar nicht, welcher Aufwand hinter dem Portal steckte und doch weiß ich, was es bedeutet eine Literaturveranstaltung zu planen. Was heißt es dann für eine Plattform, die täglich kulturellen Inhalt veröffentlicht? Dieses Literaturportal war kostenlos und gesellschaftlich relevant, es beschäftigte sich mit der Wirkung von Literatur für die Leser*innen, die Gesellschaft, die Zeit, in der wir leben.

Ich war ein junger Dichter als ich fixpoetry kennen, schätzen und lieben lernte. Ich las Rezensionen, um herauszufinden, ob das Werk mir zusagen würde; oder: ob ein Buch, dass ich gern gelesen hatte, auch so gut ankam und vice versa. Ich lernte neue Stimmen kennen, ich nahm Kontakt zu Autor*innen auf und entdeckte die Weite des Literaturbetriebes. Sagen viele doch, gerade die Lyrikszene sei eine Sparte, die sehr familiär wäre, weil sich alle untereinander kennen würden. Doch gerade zu kleinen Szenen muss man Zugang finden. Zu schreiben heißt nicht, dass man die Dichter*innen seiner Zeit kennt. Zu schreiben heißt nicht, das man andere Schreibende kennt. Ich war naiver als jetzt und schrieb vor mich hin. Aber auf fixpoetry las ich Kolleg*innen, war einer von ihnen und war unter ihnen. Als junger Autor fand ich die Möglichkeit mich zurecht zu finden in der eigenen Zeit – und das ist, muss ich als Historiker sagen, immer die schwierigste Aufgabe für junge Menschen, denn in der Gegenwart ist nichts klar und abgeschlossen, jede Zukunft ist offen.

Ein Zeitungsfeuilleton kann das nicht bieten und ist auch ein anderer Ort der Vermittlung. Die Orientierungshilfe von fixpoetry hat mich maßgeblich geprägt und für die Zukunft fit gemacht. Und inhaltlich kann ich keinen Zweifel hegen, denn die Inhalte auf fixpoetry haben sich immer darum bemüht, dem Werk, den Leser*innen und ihren gesellschaftlichen Kontexten gerecht zu werden. Für solch ein Projekt lohnt es sich zu spenden, doch wir haben allesamt zu wenig gemacht. Vielleicht darauf vertraut, das immer alles so bleiben wird und fixpoetry immer für uns da sein wird. Und hier möchte wenigstens anerkennen, was offizielle Förderstellen nicht anerkannt haben: fixpoetry ist wichtig, Kulturvermittlung kann nicht kostenlos geschehen und die Menschen, die sich da müdetippen für uns, haben Anerkennung verdient – eine Anerkennung, wenigstens nicht Miese zu machen und mehr als bloßes Abnicken. Wir sind nicht schuld, aber wir können handeln. Konnten.

Wenn fixpoetry am Ende des Jahres 2020 schließt, geht ein Stück deutscher Kullturjournalismus verloren. Es schließt sich eine Tür für junge Autor*innen, die so niedrigschwellig war, dass sie immer offenstehen konnte. Es wird eine Lücke literarischer Rezensionen geben, die von Blogs und dem Feuilleton nicht aufgewogen werden kann. Fixpoetry war kein Hobby, sondern eine Leidenschaft, ein Dienst ohne Verdienst, ein langer Pfad der deutschen Literatur (und nicht nur dieser) nach 2000. Wo es hingeht, wissen wir nicht. Die Zukunft muss offenbleiben, kataklystische Visionen haben noch niemanden auch nur einen Schritt vorangebracht. Traurig ist es für mich zu sagen: nichts ist fix(poetry). Wer weiß. Auch wenn fixpoetry nicht fortgeführt wird, hat es so viele Stimmen und Bewusstsein geprägt, dass es nicht vergessen wird. Doch Erinnerung und Anerkennung dürfen wir nicht in eins legen. Wir müssen bereit sein unsere Zukunft zu fördern und zu schützen, wir auch.

Genießen Sie die Seite, solange sie noch online ist.

Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zukunft zurück?

Liebe Freunde,

ich war etwas offline, dann kam die Pandemie und nun geht es so langsam weiter. Updates!

  1. Ich bin gerade aus Hausach im Schwarzwald zurück. Ich hatte dort das dreimonatige Hausacher LeseLenz-Stipendium. Ich habe drei Monate im schönen Schwarzwald verbracht, war wandern, habe Leute kennengelernt und geschrieben. Ich danke dem Hausacher LeseLenz e.V. für diese tolle Erfahrung und Möglichkeit.
  2. Ich habe (dort ^) ein Romanprojekt abgeschlossen. Es behandelt meine komplexe Familiengeschichte, ich selbst nur als Geschichte kenne, da die meisten beteiligten Tod sind und ich so nur von meiner Mutter von ihnen erfahren konnte. Meine Mutter wurde im Gulag geboren als Tochter einer polnischen AK Ärztin und eines SS-Majors. Ich bin im Roman der Geschichtenerzähler, der die Geschichte erzählt bekommt. Verlagssuche steht an.
  3. Ich bin natürlich auch am dritten Gedichtband dran: Es wird ein Spaziergang. Ich gehe sehr, sehr gerne spazieren, besonders in sozial wie politisch brenzlichen Zeiten. Es ermöglicht mir, Gedanken zu sortieren und dem Denken eine neue Bewegung zu geben. So gehen Innen & Außen, Gedanken & Begegnung, Analogie & Digitalität Hand in Hand. Ein Gedichtband = ein Spaziergang.

Weiter geht es nun endlich auch mit Lesungen!

ich lese heute, am 03.10.2020, am Tag der deutschen Einheit, in Kassel. Im Rahmen des Literaturhauses Nordhessen nehme ich mit Saskia Trebing und Philip Körmer an dem Format Spätlese teil und lese damit verbunden, mal wieder in einer Kirche. Große Freude. Dazu gibt es jede Menge Live-Musik mit dem Jules Mayfield Trio. – 03.10.2020, Kreuzkirche Kassel, Luisenstraße 13, Beginn 20:30 (Einlass 19:30). 12€/8€ erm. https://www.literaturhaus-nordhessen.de/10-lange-nacht-der-jungen-literatur-und-musikmit-saskia-trebing-martin-piekar-philip-kroemer-und-dem-jules-mayfield-trio/

Und dann darf ich zum Veranstaltungsformat OPEN BOOKS während der Frankfurter Buchmesse, am 15.20.2020 mit Christian Metz über seinen wunderbaren Essayband BEUGUNG sprechen. In diesem Essayband geht er der Dokumentationsfähigkeit und -tätigkeit zeitgenössischer Lyrik ein. 15.10.2020, 18 Uhr, Großer Hirschgraben 23-25, 60311 Frankfurt. https://www.openbooks-frankfurt.de/termin/christian-metz-mit-martin-piekar-beugung-poetik-der-dokumentation/

Ich hoffe es geht weiter, ich hoffe auf mehr Lesungen, ich hoffe.

Bis Bald

Sommerpause ist rum!

Weitergehts mit der Literatur!

 

Am 04.09.2019 gebe ich eine Schreibwerkstatt in Trier im Rahmen des Bundeswettbewerbs lyrix e.V. zum Thema Heimat(en). Es werden zeitgleich drei Werkstätten stattfinden – ich freue mich auf die Kolleg*innen Safiye Can und Bas Böttcher.

 

Am 06.09. gebe ich eine Schreibwerkstatt in Frankfurt – auch in Zusammenarbeit mit lyrix e.V. Diesmal sind wir sogar zu viert: Dominique Macri, Dalibor Markovic und Jakob Schwerdtfeger. Wir alle werden mit unterschiedliche Klassen zusammenarbeiten und ab 13:30 auf dem Goetheplatz einen Lyrik-Flash-Mob … veranstalten, abhalten, flashen? – sowas.

 

Am 09.09. findet eine neue Runde theke.texte.temperamente statt. Wir lesen zwei Bücher von der Longlist des deutschen Buchpreises und besprechen sie. Ihr findet uns an dem Abend ab 19:30 Uhr im Yachtklub – ab 20 Uhr legen wir dann los.

 

Am 11.09. lese ich zwar nicht, empfehle aber die Lesung des Salon Fluchtentiers, der Salon No. 11 ist dran! Die Lesung findet im Frankfurter Salon statt.

 

Am 14.09.2019 lese ich bei ULF – keine Sorge, jeder darf zu ulf kommen. Das Unabhängige Lesereihen Festival findet in Nürnberg statt und ich lese für die Lesereihe Land in Sicht aus Köln, große Freude! Die Lesung beginnt um 20 Uhr im Roten Salon des Z-Baus.

 

Literatur Jetzt! Heißt es in Dresden am 26.09. das Festival zeitgenössischer Literatur bringt mich mit den wundervollen Dichter*innen Marcel Beyer und Sina Klein zusammen. Ab 19 Uhr lesen wir im Zentralwerk. Ich freue mich sehr!

 

Endlich wieder Arbeit 😀 – Die Literatur schläft nicht, bald gibt’s Weiteres.